Bambus

 

Die Stämme sind völlig glatt und stehen dicht den Hang hinunter. Eine kleine Straße führt in kurviger Bewegung mitten hindurch. Wir gehen langsam den Hügel hinauf. Die Geräusche der Stadt, vorher noch klar identifizierbar, sind plötzlich merklich gedämpft. Die Blätter wirken wie Schallschlucker, wie ein wattierter Vorhang, ein gewachsenes und sehr dichtes Gewölbe. Ich stehe unter einem schützenden Dach. Durch den unterholzfreien Boden wirkt der Bambushain wie die Architektur eines hörbaren Innenraums. Ich stelle mir vor, wie sich die Stämme bei starkem Wind bewegen, aneinanderschlagen und arhythmische, perkussive Laute erzeugen. Es ist völlig windstill, doch ich denke beim Anblick dieser glatten und leicht gebogenen Stämme an Bewegung, an Sturm und versuche die extreme Elastizität dieser hohen Gewächse in ein Hörbild zu übertragen. Ich bilde mir ein, die hohlen Stämme aufeinandertreffen zu hören, wie sie reibende und schlagende Geräusche erzeugen und sich unter der Kraft der Windböen in alle Richtungen biegen, wie Trommelstöcke im Wirbel.

 

Kyoto, September 1994